UNSAFE+SOUNDS 2022 – MUSIC GUIDE
»TAINTED FUTURES — AGENCY OF IMMEDIACY«
Unsafe+Sounds geht 2022 in seine achte Ausgabe. Dieses Jahr rückt das Festival erneut den Zusammenhang gesellschaftlicher Fragestellungen und zeitgenössischer Ästhetik in der Musik in den Fokus. Es präsentiert musikalische Positionen einer Gegenwartskultur, die versucht zu reflektieren und mit teils radikalem Ergebnis, die uns umgebende Wirklichkeit abzubilden. Was die teilnehmenden Musiker:innen eint sind emanzipatorische Ansätze, die eine ästhetische Entsprechung zu unserer Jetzt-Zeit bilden. Ziel ist es, einige der zahlreichen Schnittstellen von experimentellem Underground, zeitgenössischer Clubkultur und akademischer Avantgarde aufzuzeigen und Handlungspotenzial aus der Unmittelbarkeit und Dringlichkeit der Musik zu gewinnen. Denn die Fähigkeit zur Imagination beginnt beim musikhörenden Subjekt, mit dem, was uns Vergnügen bereitet.
Das Unerhörte scheint alltäglich zu werden, mit jedem Tag ein bisschen mehr: Krieg, Naturkatastrophen, Klimakrisen, Energiekrisen, Bankenkrisen, Seuchen und Pandemien, Rechtsruck, Überwachung, Information Overflow, Exzess der Daten, Ausbeutung, Gleichschaltung, Machtlosigkeit, Depression. Smarte Mächte regieren, so dass man leicht Herrschaft als Freiheit und digitale Kommunikation als Community missversteht. Die Überwachung schleicht sich als Convenience in den Alltag, Freiheit wird ausgebeutet. Dataismus malt sich keine andere Zukunft aus. Das Like schließt die Revolution aus, glaubt Byung-Chul Han. Es gibt derzeit nur eine Krisenperspektive, wenn man an die Zukunft denkt. Abschied von der Utopie, jetzt wirklich.
Was uns bleibt in der zusammengezogenen Gegenwart ist das Reiten auf den Gegenwartsspitzen. Die Unmittelbarkeit des Hier und Jetzt, das Leben im Augenblick ist erreichbar. Unsere Körper haben wir noch. Und den Sound. Die Geburt alternativer Realitäten ist zwar noch nicht in Sicht — die kritische Masse bleibt noch unsichtbar —, dennoch werden in ekstatischen Zuständen, im aus-sich-heraustreten andersartige Wahrnehmungswelten angeboten. Wir bauen uns eine idealisierte subjektive Realität, ein emotionales Rückzugsgebiet, ein Cocooning, ja. Aber immerhin, die Suche nach einer anders gearteten Gegenwart geht weiter. Wir suchen eine Praxis des (V)erlernens, spüren das Reale des Moments, die Unmittelbarkeit des Klangs – die Dringlichkeit der Lautstärke oder Stille, die hypnotische Schnelligkeit oder Langsamkeit des Rhythmus, suchen und finden eine Schmerzausschaltung, eine temporäre autonome Zone, eine Utopia of Sound. Die Rückeroberung von Euphorie, Jouissance und Ekstase, geteilter intensiver Erfahrungen mittels sonischer Fiktionen und Mutationen. Sonische Sinnlichkeit – immediate sein. Wenigstens vorübergehend, ein paar Tage lang, Vehemenz in der Flüchtigkeit des Moments verorten.
Freitag & Samstag 23./24./30.9/1.10
Lokale und internationale DJ-Kultur im Brennpunkt der diesjährigen Ausgabe
Das Unsafe+Sounds 2022 rückt an den beiden Wochenend-Terminen (23./24./30.9/1.10) die lokale und internationale Dj-Szene in den Fokus und bringt dabei vorbehaltlos und Szene-übergreifend die unterschiedlichsten Facetten elektronischer Clubmusik zum Vorschein.
RROSE
CHRISTIA INGEMANN
DJ EBHARDY
KIM LECLERC
BUSHRA
FLOWER CRIME
MISONICA
Zwischen Avantgarde und Techno situiert ist RROSE. Seth Horwitz ist in UK stationiert und Meister:in des minimalen Techno. In eleganten High-Definition-DJ-Sets fallen Zeit und Raum ineinander und entwickeln einen hypnotischen Sog, der in der Dauer seine ganze Wirkung entfaltet. Ebenso slick und minimalistisch sind die Sets von CHRISTIA INGEMANN, der sich am puristischen Sound von Sähkö orientiert, während der Künstler und Musiker Paul Ebhart sich als DJ EBHARDY frei zwischen Techno, House, Kosmische, Early Minimal und Elektro-Akustik bewegt.
Fixe Bestandteile der lokalen Dj-Szene sind weiters die ganz auf Vinyl eingeschossene KIM LECLERC, oder ihre Kolleginnen FLOWER CRIME, BUSHRAund MISONICA. Jede von ihnen gleitet eklektisch durch die unterschiedlichen Dekaden und Genres, darunter finden sich neben Techno, auch IDM, Breakcore, Industrial, Trance und Synth-Wave.
AMBLIO
BOOTLICKER
VICH MIND
DJ DIAMOND
DISTORTINA
SENTIMENTAL RAVE
Ein Genre, das in der zeitgenössischen Clubkultur der letzten Jahren tonangebend war ist Hybrid Club, für das der Mitbegründer des Labels Ashida Park AMBLIO stellvertretend steht. In seinen Sets spielt er — typisch für das Genre — gern mit Referenzen auf die Popkultur. Auch im Bereich der dekonstruierten Clubmusik und basslastiger Sounds beheimetet sind Künstler:in, Kurator:in und DJ Julius Pristauz aka BOOTLICKER. Auch hier werden Tracks aus Pop und Rap gefeatured. VICH MIND geben sich futuristisch, und mixen Hyperpop-Anthems mit High-Speed-Tracks.
Im Aufgreifen härterer Styles wie Gabber, Hardcore, und frühen Rave-Tracks stoßen uns DJ DIAMOND, DISTORTINA und SENTIMENTAL RAVE aus der Comfortzone. Die in Paris stationierte DJ, Produzentin Sentimental Rave oszilliert dabei zwischen brachialen Kicks und Sensibilität und kombiniert die Stimmung vor Lagerhäuser-Raves der Vorstädte europäischer Metropolen mit den glorreichen Stunden der ersten Raves — Dancefloor-Anthems inklusive.
OPROFESSIONELL
MIKKEL REV
ALPHA TRACKS
HIGH FUTURE
EZY
Ganz dem auch im Underground wieder an Popularität gewinnenden Genre Trance verschrieben, haben sich die norwegischen DJ-Produzenten OPROFESSIONELL und MIKKEL REV, die am zweiten Wochenende zu erleben sein werden. Gemeinsam mit Kollegen haben sie das einflussreiche Neo-Trance-Label UTE.Records ins Leben gerufen. Auf diesem hat auch der lokale DJ-Produzent ALPHA TRACKS bereits Platten herausgebracht. In seinen DJ-Sets bewegt sich dieser zwischen Acid und Trance, Oldschool und Newschool. Die südkoreanische DJ HIGH FUTURE fusioniert in ihren Sets treibenden Hard Techno mit Hardtrance über 140BPM, und auch der Dj-Produzent EZY ist ein Freund des beschleunigten Beats. Als aktiver Teil des Kopenhagener Undergrounds, manövriert er durch Psytrance, Forest und alternativen Goa.
DJ HARAM
NKISI
Das Closing Freitag Nacht spielt die US-amerikanische DJ-Produzentin DJ HARAM die man bereits aus der Formation 700 Bliss kennt, in der sie gemeinsam mit Moor Mother „Slave Punk“, Clubmusik und Free Jazz kombiniert. Als DJ setzt sie sich mit ihren Wurzeln auseinander und lässt nahöstliche Rhythmen mit experimentellen und basslastigen Sounds kollidieren. Samstagnacht wird dann die afrodiasporische Aktivistin, DJ und Produzentin Melika Ngombe Kolongo aka NKISI zu hören sein. Die ekstatischen Auftritte der kongolesisch-belgischen Künstlerin vereinen afrikanische Polyrhythmen mit Hardcore-Techno, den Vibe italienischer Horrorfilme der 70er Jahre mit dem Drive schamanistischer Ritual-Praktiken.
TINA 303
PURE
HASKII
ROBERT SCHWARZ
INGRID
INOU KI ENDO
Auch Protagonist:innen der Frühphase des Wiener Techno werden zu hören sein. Der mittlerweile in Berlin stationierte DJ-Produzent Peter Votava alias PURE, auch bekannt aus der Funcore-Formation Ilsa Gold wird ebenso wie TINA 303 eines seiner Vinyl-only-Sets spielen und dabei auch Fundstücke aus früheren Zeiten ausgraben.
Neben den obligatorisch Club-orientierten DJ-Sets wird aber auch experimentelle Elektronik wird am Festival in DJ-Sets zu assoziativen Klangwelten eingeschmolzen. So führen uns die DJ und Designerin Milica Balubdžić aka HASKII, der als Teil des künstlerischen Teams der Wiener Festwochen tätige Bernhard Staudinger alias INGRID, Kurator, Musiker und Architekt ROBERT SCHWARZ und die Unsafe+Sounds Kuratorin Shilla Strelka als INOU KI ENDO mit Ambient-Tracks, Fieldrecordings, Early Minimal und obskuren Fünden aus Gegenwart und Vergangenheit in imaginäre Sphären.
STINE JANVIN
SØS GUNVER RYBERG
RENT
ELIN
UFO95
Freitag, 23.09.
Synthetische Vokalmusik, Industrial-IDM, Dark Ambient und kompromissloser Live-Techno
Der erste Teil des Eröffnungsabends findet in der Zacherlfabrik statt und widmet sich drei Musikerinnen, die unterschiedliche Ästhetiken aufgreifen, dabei aber ähnlich konfrontativ agieren. Die norwegische Musikerin, Performerin und Vokalistin STINE JANVIN lässt ihre atemberaubend abstrahierte Stimme zwischen synthetisch erzeugten Klängen und menschlicher Akustik oszillieren. Ihr auf PAN erschienenes Album nennt sich bezeichnenderweise „Fake Synthetic Music“ und erinnert an die radikalen Stücke psychoakustischer Klangforscher:innen wie Maryanne Amacher, Ryoki Ikeda oder Marcus Schmickler. Die dänische Musikerin SØS GUNVER RYBERG hat sich in den letzten Jahren verstärkt dem Sounddesign für Computerspiele und installativen Arbeiten zugewandt. Ihre Live-Sets sind rar, dabei umso einprägsamer, ebenso stimmungsvoll wie fordernd. Rohe Klangsynthese trifft hier auf avancierte Rhythmik. Das Ergebnis ist zerebraler IDM-Industrial-Techno. Mit RENT wird auch eine neue Stimme der lokalen Szene zu entdecken sein. Katrin Euller schafft es an ihrem Modular-Synth abgründigen Dark Ambient mit widerspenstigen Noise-Scapes und digitaler Debris zu verschmelzen.
Im Werk wird der seit den 90ern aktive Wiener Produzent und DJ ELIN einen Vorgeschmack auf seinen upcoming Release „Satanic Soul“ geben. Es ist abgeklärter, roher Techno, der Coolness und einen Hauch Zynismus zu präzisen Tracks verspinnt. Am Main Floor wird der französische Produzent UFO95 die Crowd mit energetisierend-atemlosen Live-Techno anpeitschen. Inspiration findet Killian Vaissade in der Techno-Szene der 90er Jahre, in den Broken Beats von Jungle, aber auch im IDM solcher Größen wie Aphex Twin.
ASTRID GNOSIS
ANTHEA
KENJI ARAKI
IN MY TALONS
Samstag, 24.09.
Von subversivem Avant-Hardcore zu neon-farbenem Hyper-Pop und empathischem Post-Club
Die spanische Produzentin und Künstlerin ASTRID GNOSIS ist bekannt für ihren gewaltvollen Avant-Hardcore zu dem sie rappt und singt. Subversion und das lustvolle Erfahren von Noises jeglicher Provenienz stehen im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Praxis. Geschwindigkeit und Erschöpfung sind Schlüsselelemente ihrer Arbeit, die inspiriert ist von der „zerstörerischen Beschleunigung des Fortschritts der kapitalistischen Produktionsweise“. Dafür wendet sie bei ihren Live-Performances eine ähnliche Didaktik an, wie man sie aus Power Electronics und Industrial kennt. ANTHEA thematisiert in neonfarbenen Hyperpop persönliche Verletzlichkeit, nichtbinäre Identität und innere Konflikte und versieht dafür Artpop, Noise, Hardcore, Screamo mit populärkulturellen Codes. Am Unsafe+Sounds tritt Anthea gemeinsam mit dem Musiker und Produzenten KENJI ARAKI auf. Der in Österreich lebende Künstler mit japanischen Wurzeln interessiert sich für dekonstruierten Clubsound. Das Ausloten von Genre- und Mediengrenzen ist Kern seiner künstlerischen Praxis und führt zu einer Post-Club-Ästhetik, die gleichermaßen fremd, düster und betörend ist. Ähnlich hybrid setzt sich der Klangkosmos von IN MY TALONS zusammen. Florian Pfaffenberger sammelt Samples unterschiedlicher Provenienz im Internet und wendet diese neu. Gregorianische Choräle dürfen neben hoch-gepitchten Pop-Refrains stehen, hymnischer Metal wird mit Broken Beats, der Sound von aggressiven Computerspielen mit irritierend zarten Flöten vermengt. Dabei gibt es keine Scheu vor großen Emotionen.
NO BRA
MATTIN
PRIVAT
Mittwoch, 28.09.22
Politisierter Noise, gender-aktivistisches Spoken Word und nonchalanter Cold Wave
Wie kann Subversion heutzutage klingen? MATTIN ist nicht nur als Theoretiker („Noise / Capitalism“) aktiv, er tritt auch regelmäßig als Musiker auf und arbeitet sich dabei konzeptionell am Genre Noise ab. In seiner künstlerischen Praxis und seinen Texten erforscht er performative Formen der Entfremdung als eine Möglichkeit, mit struktureller Entfremdung umzugehen. Die konfrontativen Performances der in New York stationierten Musikerin und Filmemacherin Susanne Oberbeck aka NO BRA kreisen um Gender und Sexualität. Oben ohne, dafür mit aufgemaltem Schnurrbart, ist Oberbeck eine elektronische „Punk-Provokateurin und Gender-Revolutionärin“ (Dazed), eine „Ikone des queeren Undergrounds“ (Deutschlandfunk) und zählt Künstler:innen wie Arca, Bruce La Bruce und Wolfgang Tillmans zu ihren engen Freund:innen. Mit bissigem Witz thematisiert sie in ihren Spoken-Word-Performances u.a. Sexarbeiterinnen im White House, oder pervertierte Machtverhältnisse. Nonchalance ist auch dem Duo PRIVAT eigen. Hinter dem Synonym verbergen sich der in Wien lebende Künstler und Musiker Robert Pawliczek und der Musiker und Kurator Robert Schwarz. Zusammengehalten von nüchternen Vocals und simplen Arrangements strahlen die von Industrial und Cold Wave beeinflussten Songs spartanische Kälte aus. Es sind düstere Meditationen, abgeklärte Klagelieder auf die Gesellschaft und das Private.
YUZU
KUTIN
SNAKE BOOTS
Donnerstag, 29.09.22
Konzeptuelle Multiversen, ausgetüftelte Klangwissenschaft und transzendente Krachwelten
Der Donnerstag Abend in der Zacherlfabrik findet in Kooperation mit der Wiener Konzertreihe Struma+Iodine statt. Den Anfang macht Komponistin, Künstlerin und DJ Milena Georgieva aka YUZU. Ihre Herangehensweise an Musik überschreitet Genregrenzen und Orthodoxien und folgt persönlichen Obsessionen und lebendiger Neugierde. Georgieva arbeitet mit synthetischen Klängen, konkreten Texturen, Fieldrecordings und Samples, die virtuelle und reale Klangwelten nachzeichnen. Am Unsafe+Sounds Festival wird sie eine neue Komposition vorstellen, die im Kontext von zeitgenössischer Kunst, Club und virtueller Kultur verortet ist. Der in Wien lebende Künstler und Musiker Peter KUTIN, u.a. Preisträger der Goldenen Nica der Ars Electronica, arbeitet gattungs- und medienübergreifend. In den letzten Jahren hat er ein starkes Interesse an der Geschwindigkeit und Zeitlichkeit von Klängen und musikalischen Strukturen entwickelt und beides in Interaktion mit verschiedenen Medienbereichen angewandt und erforscht. Melodische oder harmonische Strukturen werden meist nur angedeutet oder minimal und geisterhaft gehalten; es sind die Klangfarbenmalerei, die Arrangements und die Collagen, die dieses Werk charakterisieren. SNAKE BOOTS ist das Duo der Musiker:in, Veranstalter:in und Label-Betreiber:in Tony Renaissance und der Musikerin und Dichterin Karo Preuschl. Mit Hilfe von modularem Synthesizer, Violine, Stimme und Effekten transzendieren Snake Boots die Bereiche des Physischen und erkunden dabei die Grenzen der Emotionalität. Hier kollidieren chaotische Energien in abründige Klangszenerien.
VENTIL RECORDS
ELECTRIC INDIGO
ROJIN SHARAFI
PIA PALME
SONJA LEIPOLD
Freitag, 30.09.22
Fragility of Sounds
In Kooperation mit dem Wiener Label Ventil Records bringt der Freitag-Abend vier Künstlerinnen auf die Bühne, die sich der Fragilität von Klängen auf unterschiedlichsten kompositorischen Ebenen nähern. Sie präsentieren damit das von von Pia Palme initiierte Projekt »On the Fragility of Sounds«, das mit einem im Frühjahr erschienen Release auf Ventil Records einher geht. Die am Album vertretene Musikerin ELECTRIC INDIGO alias Susanne Kirchmayr wird das im Rahmen des Projekts komponierte Stück »Brittle«, erweitert um einen Modularsynthesizer, als extended Version erstmals aufführen. PIA PALME erforscht gemeinsam mit Cembalistin SONJA LEIPOLD die Schnittstellen von alter Musik und zeitgenössischer Komposition. Als Abschluss des Abends in der Zacherlfabrik wird ROJIN SHARAFI mittels polyrhythmischer Patterns und brachialer Synthstrukturen einen Kontrapunkt setzen.
EWA JUSTKA
JUNG AN TAGEN
CAM DEAS
Freitag, 30.09.22
Digitale Avantgarde trifft auf störrische DIY-Elektronik
In andere Wahrnehmungswelten katapultieren uns die zwei Live-Acts Freitag Nacht im Werk. Mit CAM DEAS & JUNG AN TAGEN sind zwei Experimental-Elektroniker de luxe zu Gast. Der aus dem Umfeld von Editions Mego kommende Jung An Tagen ist in der Szene bekannt für seine radikal-puristische, synästhetisch-psychoakustische Computermusik, während Cam Deas aus Modular-Synths und Computer ähnlich Zeit/Raum-Achsen-drehende Sonds filtert. Ihr Duo-Projekt ist auf dem Label Diagonal erschienen und vereint synthetische Avantgarde-Sounds mit frenetisch-technoiden Läufen und UK-Garage-Beat-Patterns. In den letzten Jahren ist uns weniges untergekommen, das so störrisch und widerspenstig klingt, wie die Sounds der in Glasgow stationierten polnischen Künstlerin EWA JUSTKA. In ihren Solo-Live-Shows ist Justka ausgerüstet mit zwei Stroboskopen, die unbarmherzig in die Menge blitzen, während die Musikerin an ihren selbst-entworfenen Synth-Modulen zugange ist. Es ist DIY Elektronik im besten Sinn — es knarzt, kracht und röchelt, und nimmt dabei Anleihen an Genres wie Acid und Hardcore Techno — „hooligan Rave energy“ at its best.
OMFORMER
Samstag, 1.10.22
Afterhour-Schwerelosigkeit in der Zacherlfabrik
Der Samstag-Morgen steht ganz im Zeichen der Immersion. Nach der durchfeierten Nacht im Werk wird es in der Zacherlfabrik ab 7:00 erstmalig und wohl einzigartig für ein Wiener Festival, eine Afterhour geben. Im Zentrum steht dabei das norwegische Ambient-Trance-Duo OMFORMER. Mit seinem charakteristischen, von Hardware-Synthesizern geprägten Sound und einer Vorliebe für emotionalen atmosphärischen Trance, der trippigem Ambient-Braindance gleicht und in psychedelisch-euphorische Sphären gleiten lässt, hat sich Omformer ein eigenes Segment in der Szene geschaffen.
SAFA
DJ WARZONE
ABU GABI
PRISON RELIGION
Samstag, 01.10.22
Global Electronics, fataler Noise-Rap und widerspenstige Sounds aus dem Hardcore-Kontinuum
Mhamad Safa kurz SAFA ist Musiker, Architekt und Klangforscher, wohnhaft zwischen London und Beirut. Safa erforscht klangliche Schnittstellen traditioneller und subkultureller Praktiken und akustischer Umgebungen, die von Konflikten und Gewalt geprägt sind. Dabei führt er Sounddesign, Mikrosampling, algorithmische Klangtechnologie, Psychoakustik und Fieldrecordings zusammen. Sein eben erschienenes Album „Ibtihalat“ nimmt Anleihen an der traditionellen Musik Nordafrikas und der arabischen Halbinsel. DJ WARZONE gilt seit einer guten Dekade als einer der Heads des Wiener Techno-Undergrounds. Der Produzent und DJ mit kurdischen Wurzeln gibt sich ebenso klandestin wie umtriebig. Mit seinem harschen LoFi-Sound bedient er das gesamte Spektrum des Hardcore-Kontinuums. Zum Einsatz kommen dreckige Drummachines und ätzende Synths ebenso wie digitale Tools. Von Anarcho-Pop und Improvisationsmusik kommend, ist ABU GABI sowohl aktivistische Solokünstler als auch als Teil des zeitgenössischen harschen Club-Duos DVRST und in der Breakcore-Noise-Pop-Kollaboration ITSCH zusammen mit Kenji Araki aktiv. Solo führt sie abgründige Noises mit furchtlos-expressiven Vocals zusammen und kämpft dabei nicht zuletzt um Selbstermächtigung und kompromisslosen Selbstausdruck. PRISON RELIGION nennt sich das US-amerikanische Duo der in Virginia ansässigen Künstler Poozy und False Prpht. Ätzend, apokalytpisch und konfrontativ möchten Prison Religion transgressive Erfahrungen proziereren. Dafür verschmelzen sie die härtesten Genres mit ungekannter Wucht: aggressiver Screamo-Rap trifft auf brachialen Industrial-Noise, Hardcore-Punk-Energien auf fatale Metal-Ekstasen, während die Bässe auf uns niedergehen wie Gewehrsalven.